AWO-Doppelspitze Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl zur heutigen PK von Familienministerin Scharf: „Wir fordern eine großangelegte Fachkräfteoffensive, um den Rechtsanspruch auf Ganztag umzusetzen“

In Bayern höchster Personalbedarf – AWO legt Forderungskatalog vor – Kommunen mit Aufgabe nicht allein lassen.

Anlässlich der heutigen Pressekonferenz von Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) zu Entwicklungen im Bereich der Kinderbetreuung und Initiativen des Ministeriums erklären Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl, die Vorsitzenden des Landesverbands der Arbeiterwohlfahrt (AWO): „Ab 2026 hat jedes Kind einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz. Um diesen erfüllen zu können, liegt vor Bayern ein langer und schwieriger Weg. Es besteht dringender Handlungsbedarf.“

Zur Erläuterung: Nach Berechnungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) ist Bayern nach Schleswig-Holstein das Bundesland mit dem höchsten Ausbaubedarf bei den Ganztagsangeboten für Grundschulkinder. Der zusätzliche Bedarf an Ganztagsbetreuung bis zum vollständigen Rechtsanspruch im Schuljahr 2029/2030 liegt nach Prognosen des DJI zwischen 61 Prozent bzw. 107.900 Plätzen (bei konstanter Elternnachfrage) bzw. 78 Prozent oder 136.300 Plätzen (bei steigender Nachfrage).

Bei einer weiteren Voraussetzung für den Ausbau hat der Freistaat den höchsten Nachholbedarf: Bayern ist das Bundesland, das nach Prognose der Bertelsmann Stiftung am meisten neues Personal benötigt, um den Rechtsanspruch umzusetzen. Der „Fachkräfteradar für KiTa und Grundschule 2022“ geht davon aus, dass mehr als 100.000 Fachkräfte in ganz Deutschland bis 2030 für die Ganztagsförderung aller Grundschüler*innen fehlen, davon fast 21.000 Fachkräfte in Bayern. Einen ähnlich hohen Personalbedarf hat nur NRW mit rund 17.000 neuen Fachkräften. Thüringen, Hamburg und Berlin haben bereits heute ausreichend Personal, um den Ganztagsanspruch umzusetzen. Hinzukommen die Fachkräfte, die im Bereich der frühkindlichen Bildung benötigt werden. Nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung sind es in Bayern bis zu 45.600 zusätzliche Kita-Fachkräfte bis 2030. Das heißt, dass insgesamt fast 67.000 Fachkräfte für Kita und Grundschule in Bayern bis 2030 fehlen.

Schley und Wolfshörndl: „Bayern muss dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ohne Wenn und Aber gerecht werden. Damit er umgesetzt werden kann, fordern wir von der Staatsministerin eine großangelegte Fachkräfteoffensive.“

Schleys und Wolfshörndls Forderungskatalog im Einzelnen:

  1. Fachkräfteoffensive KiTA und Ganztag: vor allem mehr Aus- und Weiterbildungsplätze, kostenlose Weiterqualifizierung für Quereinsteiger*innen, Kita und Nachmittagsbetreuung für andere geeignete Berufe öffnen (beispielsweise Personen aus dem Handwerk, aus Kunst und Musik etc.), erleichterte Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Begleitung, ganz grundsätzlich bessere Bezahlung, mehr Aufstiegsmöglichkeiten, bessere Rahmenbedingungen in den Einrichtungen: starke Leitungen, Unterstützung der Teams durch Verwaltungskräfte/Hauswirtschaftler*innen, Konzepte der Gesundheitsvorsorge.

  2. Zuständigkeiten schnell regeln (zwischen Kultus- und Sozialministerium): Standards definieren und deren Umsetzung planen unter Berücksichtigung der erforderlichen Finanzierung.

  3. Vielfalt der Angebote erhalten (Hort, offener und geschlossener Ganztag, Mittagsbetreuung): Es ist wichtig, dass die Angebote und das Personal erhalten bleiben können und in die neuen Standards hineinwachsen können. Vor Ort bewährte Strukturen dürfen nicht zerschlagen werden, Angebote müssen begleitet weiterentwickelt werden.

  4. Kommunen dürfen mit der Aufgabe nicht allein gelassen werden. Sie brauchen Finanzierungssicherheit. Es darf nicht von Postleitzahlen abhängen, ob der Rechtsanspruch auf schulische Nachmittagsbetreuung in der Grundschule gilt oder eben nicht.